Schweißen statt Spanisch – neue Kooperation zwischen Schulen und Unternehmen in Kassel

Kassel – Wer die riesige, hell erleuchtete Produktionshalle von Schmidtsche Schack Arvos betritt, der nimmt sich aus einem Automaten in der Wand zunächst zwei Schaumstoffstöpsel. In der Halle ist das Surren von Maschinen und das kreischende Geräusch von Sägen zu hören. Auch Philipp (16) und Joel (14) drücken sich die Gehörschutzstöpsel in die Ohren und machen sich auf den Weg zu einem abgetrennten Bereich in der Halle – der Lernwerkstatt.

Die beiden Neuntklässler der Heinrich-Schütz-Schule verbringen jeden Montag die fünfte und sechste Schulstunde bei Schmidtsche Schack Arvos in Bettenhausen. Auf ihrem Stundenplan steht dann nicht wie bei anderen Mitschülern Volleyball, Spanisch oder Informatik, sondern der Wahlpflichtkurs „Schule-Plus“. Es handelt sich dabei um ein neues Projekt des Netzwerks Schulewirtschaft Nordhessen und des Arbeitgeberverbandes Hessenmetall Nordhessen.

Frauke Syring, Geschäftsführerin von Schulewirtschaft Nordhessen, sagt: „Die Schüler, die an dem Projekt teilnehmen, sind zwei Jahre lang für zwei Stunden wöchentlich in einem Unternehmen und lernen dort einen Ausbildungsberuf kennen.“ Nach den zwei Jahren haben die Schüler im Normalfall sowohl ihren Schulabschluss in der Tasche als auch gute Chancen auf eine Ausbildung. „Hinter jedem Schuleplus-Platz steht eine Ausbildungsstelle, die angetreten werden kann, wenn es beiderseitig passt“, sagt Frauke Syring.

In der derzeitigen Pilotphase des Projektes gebe es drei teilnehmende Unternehmen: Schmidtsche Schack Arvos, Alstom und Rheinmetall. Abgesehen von der Kooperativen Gesamtschule Heinrich-Schütz-Schule nehme zudem noch die Johann-Hinrich-Wichern Realschule an „Schule-Plus“ teil. Insgesamt zehn Neuntklässler seien derzeit dabei.

Nach Informationen von Schulewirtschaft Nordhessen gibt es das Format Schule-Plus bislang nur in Nordhessen und Mittelhessen. Frauke Syring sagt, Vorreiter und Initiator für die Projekt-Idee sei die Johann-Textor-Schule in Haiger (Lahn-Dill-Kreis).

Ahinora Popova-Cecco, Personalleiterin bei Schmidtsche Schack Arvos, ist von der neuen Kooperationsform überzeugt. Sie sagt: „In den zwei Jahren hat nicht nur das Unternehmen die Möglichkeit, die Schüler kennenzulernen, sondern auch die Schüler finden heraus, ob das Unternehmen zu ihnen passt.“ Zudem steigere das Projekt die Bekanntheit von Ausbildungsberufen, die vielen Schülern bei ihrer Berufsorientierung derzeit noch unbekannt seien. „Die Idee hinter dem Projekt finde ich toll. Das sollte man weiter unterstützen und ausbauen.“

Auch die Schüler Philipp und Joel sind zufrieden. Philipp sagt: „Es ist etwas Neues und interessant. Man bekommt Einblick in die Arbeitswelt.“ Vor der Teilnahme an Schule-Plus habe er sich das Innenleben einer Produktionshalle beispielsweise anders vorgestellt, als es tatsächlich ist. Dass er für die zwei Stunden im Unternehmen jede Woche 40 Minuten anfahren müsse, sei für ihn in Ordnung. „Das nehme ich gerne in Kauf.“

In der Lernwerkstatt des Betriebs können die Schüler zum Beispiel Schweißen üben. Für die Zeitung demonstriert er, wie er einen Draht erhitzt, um zwei Platten miteinander zu verbinden. „Man muss darauf achten, dass man nicht zu schnell und nicht zu langsam ist. Das Material muss schmelzen, aber darf nicht zu weich werden.“ 

Abgesehen von Übungsaufgaben übernehmen die Schüler allerdings auch Aufgaben in der Produktion. Joel sagt: „Wir fertigen zum Beispiel Schilder an.“ Auf diesen Schildern hält das Unternehmen unter anderem Temperatur- oder Druckangaben für Kühler fest. Die Aufgabe von Joel und Philipp ist es, die Schilder auf einer Halterung anzubringen.

Beide Schüler können sich vorstellen, nach den zwei Jahren bei Schmidtsche Schack Arvos eine Ausbildung zum Anlagenmechaniker zu beginnen. „Es macht sehr viel Spaß“, sagt Joel. Auch Andreas Kühne, Ausbildungsleiter bei Schmidtsche Schack, ist zufrieden. Er sagt: „Die beiden machen das echt gut.“ 

MAIKE LORENZ 

Azubi-Mangel in Deutschland

Deutschlandweit gibt es zu wenige Auszubildende. So kamen im Ausbildungsjahr 2023/24 in Nordhessen auf 100 Ausbildungsplätze nur 89 Bewerber. Das teilte unter anderem die Arbeitsagentur zuletzt mit. Frauke Syring, Geschäftsführerin von Schulewirtschaft Nordhessen, sagt, eines der Ziele von Schule-Plus sei, diesem Mangel entgegenzuwirken. Aus Sicht von Ahinora Popova-Cecco, Personalleiterin bei Schmidtsche Schack Arvos, ist das sinnvoll. Auch wenn das Unternehmen die Azubi-Stellen bislang noch problemlos besetzen könne, sei spürbar, dass die Bewerberzahlen zurückgehen.

Quelle: Hessische Allgemeine (Kassel-Mitte) vom 09.01.2025, Seite 9